- Ich habe in einer Woche 7500 EUR verdient und verrate dir in meinem Webinar, wie du das auch schaffen kannst.
- Innerhalb eines Jahres konnten wir unser Business von 100.000 auf mehr als 250.000 EUR Umsatz skalieren.
- Als Unternehmerin mit sechsstelligen Umsätzen überlege ich nicht mehr lange, ob ich den teuren oder den günstigen Kaffee nehme. Ich mache einfach.
Das sind einige umsatzfokussierten Marketing-Messages deutschsprachiger Unternehmer:innen, die ich in den letzten Monaten im Netz gesammelt habe.
Wahrscheinlich kommen dir diese Messages bekannt vor. Umsatzzahlen als Teil der Marketing-Strategie findest du in der Online Business Bubble häufig.
Mich haben diese Messages schon immer fasziniert 🤨 – und gleichzeitig abgestoßen 🤢. Ich konnte aber nie so richtig benennen, was mich daran so irritiert.
Erst habe ich den Fehler bei mir gesucht:
🤔 Bin ich neidisch?
🤔 Stimmt da was nicht mit meinem Money Mindset?
Also habe mir das Thema genauer angesehen und erzähle dir in diesem Blogartikel, was mein Beef mit Umsatzzahlen im Marketing, und warum diese Art von Marketing für mich nicht infrage kommt.
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Was ist Marketing mit Umsatzzahlen?
Wenn Unternehmen mit dem eigenen Umsatz werben, versuchen sie damit häufig zu “beweisen”, wie erfolgreich das eigene Unternehmen ist. Und gleichzeitig schwingt bei der Werbung mit den eigenen Umsatzzahlen (oder den Umsätzen von Kunden) immer mit, dass du diese Ergebnisse auch erreichen kannst, wenn du mit dem jeweiligen Coach zusammen arbeitest.
Das Prinzip ist nicht neu.
Aber die Zahlen sind in den letzten Jahren immer fantastischer geworden:
Ging es vor ein paar Jahren noch darum, einen fünfstelligen Launch zu erreichen oder ein sechsstelliges Unternehmen aufzubauen, sind wir inzwischen bei sieben und achtstelligen Umsätzen angelangt.
Der Grund dafür ist einfach: mit einem fünfstelligen Launch holst du keine Katze mehr hinter dem Ofen hervor – geschweige denn Menschen in dein Programm. Um zwischen den vielen ähnlich klingenden Versprechen im Netz herauszustechen, müssen die Zahlen immer größer werden.
Warum sind Umsatzzahlen so interessant?
Warum werden wir beim Thema Umsatz hellhörig?
Was ist daran so spannend?
Ich denke, das hat viel mit der deutschen Einstellung zum Geld zu tun.
Für knapp 64 Prozent der Deutschen ist Geld ein Tabuthema, hat eine Untersuchung der Postbank rausgefunden. Menschen besprechen mit Freunden eher ihr Sexleben, als ihr Gehalt #verrückt
Und das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen: die Gelegenheiten, bei denen ich ein mit Kollegen und Familienmitgliedern offen über das Thema Einkommen gesprochen habe, kann ich an einer Hand abzählen.
Und genau deshalb wirkt der vermeintlich offene Umgang der Online-Business-Bubble mit dem Thema Geld erstmal erfrischend und transparent.
Umsatz ohne Kontext ist eine Luftnummer
Was wir dabei gerne übersehen: ohne Kontext sagen die Umsatzzahlen eines Unternehmens nichts über dessen Erfolg aus.
Sicher machen Unternehmen in der Online Business Bubble hohe Umsätze. Das will ich nicht bestreiten.
Aber sie haben meistens auch überproportional hohe Kosten – über die weniger offen gesprochen wird.
Es ist teuer, ein Online Business zu betreiben
- Teure Tools: Online Unternehmen stecken unheimlich viel Geld in Tools, Plattformen und Programme, um sich eine Community im Netz aufzubauen und Produkte zu verkaufen. Ich war erstaunt als ich festgestellt habe, dass meine Marketing-Agentur weniger Geld für Tools und Programme ausgibt als viele Online-Unternehmer:innen.
- Viel Geld für Anzeigen: Außerdem wird in dieser Branche unheimlich viel Geld in Anzeigen gepumpt. Ich kenne Unternehmen in der Branche, die monatlich fünfstellige Summen für Facebook Ads ausgeben, damit der Evergreen Funnel schnurrt.
Da bleibt von Umsatz am Ende nicht viel übrig. Und der luxuriöse sorglose Lebensstil existiert vor allem auf den Marketing-Bildern im Netz.
Wenn Umsatzzahlen, dann bitte mit Kontext
Klar kannst du Werbung mit Umsatzzahlen machen. Aber wenn du das machst, dann setze die Zahlen in den Kontext, sonst sind sie Luftnummern, die wenig bis gar nichts über den tatsächlichen Erfolg des Unternehmens aussagen.
- Wie hoch ist der Gewinn?
- Wie viel Gehalt zahlst du dir aus?
- Wie lange hat es gedauert, bis dieser Umsatz erzielt wurde und wie viel Arbeit war dafür notwendig?
- Lässt sich das Ergebnis beliebig wiederholen oder war es ein einmaliger Erfolg?
- Wurde der Umsatz alleine erwirtschaftet oder war ein Team involviert?
- Was verdienen die Mitglieder des Teams?
Wenn ich das kann, kannst du das auch
Ein weiterer Teil meines persönlichen Problems mit Umsatz-Marketing ist die Message
“wenn ich das kann, kannst du das auch”.
Ja, ist das so?
Wenn du mal darüber nachdenkst, ist das ungefähr so als würde ich sagen
“Wenn ich nen Marathon laufen kann, dann kannst du das auch”.
Oder
“Wenn Heidi Klum nach vier Kindern bei Viktorias Secret über den Laufsteg schweben kann, dann ist das für dich auch möglich”
Ähhhh…genau!
Leider funktioniert das so nicht.
- Weil jedes Unternehmen anders ist.
- Weil jede Unternehmer:in anders ist.
- Und weil wir nicht alle die gleichen Voraussetzungen mitbringen.
✨ Jede Branche ist anders: Die Marketing-Branche funktioniert komplett anders als zum Beispiel der Markt für vegane Ernährung. Klar kann ich dich dabei unterstützen, ein Marketing-Konzept für Veganer zu entwickeln – das ist mein Job. Aber das wird sehr anders aussehen, als mein eigener Marketing-Plan.
✨ Der richtige Zeitpunkt macht einen großen Unterschied: Ich bin als Content-Marketing-Strategin in einem relativ gesättigten Markt unterwegs. In meiner Nische ist es nicht leicht, aus der Masse herauszustechen. Wenn ich mich dagegen als Coach für Long-Covid-Patienten selbständig machen würde, hätte ich wahrscheinlich gerade ganz gute Karten, schnell viel Geld zu verdienen.
✨ Privilegien: Ich bin als weiße, heterosexuelle Frau aus einer deutschen Mittelklasse-Familie mit fest angestelltem Ehemann mit einem Blumenstrauß an Privilegien ausgestattet, die andere Frauen so nicht haben. Das gibt mir eine ganze Menge Vorteile, die andere Unternehmer:innen so vielleicht nicht haben.
✨ Unterschiedliche Lebensrealitäten: Meine Lebensrealität als Mutter von 4 Kindern, die im Ausland lebt, ist eine komplett andere als die Lebensrealität einer Frau ohne Kinder, die 60 Stunden pro Woche an ihrem Business arbeiten kann – wenn sie das überhaupt will.
Fakt ist: nur weil eine Sache für eine Person gut funktioniert, bedeutet das noch lange nicht, dass sich das 1:1 auf das Unternehmen von jemand anderem übertragen lässt.
Menschen Umsatzzahlen wie eine Karotte vor die Nase zu halten und ihnen gut zuzureden, dass sie das auch haben können, weil es ja schon mal bei dir geklappt hat, ist entweder sehr naiv oder sehr manipulativ.
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Lass dich von den Umsatzzahlen nicht verunsichern
Ich höre immer wieder, dass Umsatzzahlen im Marketing Menschen motivieren und ihnen vorführen sollen, was erreichbar ist.
Klingt nobel – aber ich habe da so meine Zweifel.
Mir kommt es vor, als sollten diese Zahlen – gerne gepaart mit Messages wie “Ist dein Job nur ein Ehrenamt” oder “Bist du selbständig oder hast du ein Hobby” – eher beschämen. Und so vor allem zum Kauf des eigenen Programms animieren.
Klar sind wir alle selbständig um Geld zu verdienen. Am Ende des Monats muss die Miete bezahlt werden. Aber trotzdem finde ich diese Art der Kommunikation daneben.
Ich habe in den letzten Monaten immer wieder mit Selbständigen und Online Unternehmerinnen gesprochen, die sich wie Versager fühlen, weil sie meilenweit von sechsstelligen Umsätzen entfernt sind.
Dabei sind viele von ihnen tatsächlich auf einem guten Weg – sie wissen es nur nicht.
Ein Unternehmen aufzubauen ist ein Marathon und kein Sprint
Uns wird gerne vorgegaukelt, dass sich ein profitables Unternehmen ruckzuck aufbauen lässt. Dabei ist der Aufbau eines Unternehmens ein Marathon und kein Sprint. Und die Zahlen bestätigen das.
“Der Schritt in die Selbstständigkeit ist häufig mit Anlaufschwierigkeiten und Einkommenseinbußen verbunden. Erst nach fünf Jahren nähern sich die Einkommen der Gründer denen der etablierten Selbstständigen an.” stellte das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn fest.
Die wenigsten Selbständigen werden reich
Und selbst wenn du die ersten Jahre überwunden hast, sind fünfstellige Monate eher selten – wenn wir auf den Gewinn und nicht nur auf den Umsatz schauen.
Das Institut für Wirtschaftsforschung hat untersucht, dass der durchschnittliche Gewinn, also das, was sich ein selbständiger Mensch auszahlen kann, bei Männer bei rund 2.700 EUR im Monat und bei Frauen bei 1.400 EUR liegt – ja, auch hier gibt es einen Gender Pay Gap.
Und – nur 1 Prozent der Selbständigen verdient mehr als 10.000 EUR im Monat.
In der Studie ging es nicht alleine um Online Unternehmen. Aber sie zeigt, wie weit die “magische” Marke von 100.000 EUR von der Realität der meisten Selbständigen und kleinen Unternehmen entfernt ist.
Die 100.000 EUR Nummer ist ein Marketing-Gag, mehr nicht
100.000 EUR – die magische Zahl, die immer durch die Online Business Bubble wabbelt ist im Endeffekt aus der Luft gegriffen. Sie klingt gut und lässt sich prima in eine Markting-Botschaft verpacken. Aber vernachlässigt dabei total, dass die meisten deutschen Selbständigen viel viel weniger als 100.000 EUR im Jahr verdienen.
Ich glaube fest daran, dass es sich finanziell auszahlen kann, selbständig zu sein. Aber lasst uns das Märchen von den sechs- und siebenstelligen Unternehmen begraben und individuelle Ziele finden, um Erfolg zu messen.
Statt uns unsere Ziele von irgendwelchen Business Coaches im Netz diktieren zu lassen.
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Und jetzt?
Ich würde dir empfehlen, jedem Coach und Unternehmensberater mit einer gesunden Prise Misstrauen zu begegnen, der mit Umsatzzahlen um sich schmeißt oder wie nebenbei einfließen lässt, die toll das Leben im sechsstelligen Bereich ist.
Und ich will dich ermutigen, das Thema Geld wieder mit mehr Realität zu betrachten:
Ja, Geld ist wichtig.
Aber ist Geld tatsächlich der alleinige Faktor, warum du dich selbständig gemacht hast?
Ist dein Umsatz das Kriterium, an dem du deinen unternehmerischen Erfolg misst? Gerade in den ersten Jahren?
Nicht falsch verstehen: Ich mag Geld. Ich lebe auch gerne schön. Aber Geld alleine ist nicht mein Antrieb als Unternehmerin.
Ich will, dass meine Kunden mit ihrer Message im Netz gesehen werden und das Leben ihrer Kunden verändern. Ich will mit ihnen die Wellen anstoßen, die die Welt zu einem besseren, gerechteren Ort zu machen und sie dabei unterstützen, mit Ihrer Arbeit Geld zu verdienen.
Und ja, ich verdiene damit auch Geld. Ich habe finanzielle Ziele und ich habe Rechnungen zu bezahlen. Aber treffe unternehmerische Entscheidungen nicht alleine auf der Basis meines Umsatzes.
- Wenn ich ein größeres Team hätte, würde ich wahrscheinlich mehr verdienen. Aber das ist mir gerade zu stressig.
- Wenn ich an Affiliate Launches teilnehmen würde, könnte ich deutlich mehr verdienen. Aber das passt nicht zu meinen Werten.
- Wenn ich auf diese Podcast-Serie verzichtet hätte, hätte ich einige Business-Freunde mehr im Netz. Aber ich bin nicht selbständig, um mich für strategische Freundschaften zu verbiegen.
Ich bin gespannt: woran misst du deinen Erfolg?
Und ist es dir bei einem Business-Coach wichtig zu wissen, wieviel Umsatz diese Person macht?
Lasse mir gerne einen Kommentar da – oder schreibe mir eine Message auf Instagram.
Quellen und Links:
Dieser Blogartikel wurde unter anderem inspiriert und beeinflusst durch
- Defense Against Bro Marketings Dark Arts von Dr. Michelle Mazur
- The Dark Side of Online Business with Maggie Patterson – The Online Business Show mit Tyler J. McCall
- Internet Ombudsstelle Österreich
lieben dank, endlich mal ein artikel mit wahrheit!!
und dann das;
‚Ich bin als weiße, heterosexuelle Frau aus einer deutschen Mittelklasse-Familie mit fest angestelltem Ehemann mit einem Blumenstrauß an Privilegien ausgestattet, die andere Frauen so nicht haben. Das gibt mir eine ganze Menge Vorteile, die andere Unternehmer:innen so vielleicht nicht haben.‘
genau das ist es! ich zb habe keinen partner, der mich im falle des scheiterns auffängt und ich bin nur unternehmerin im nebengewerbe und weit von irgendwelchen zahlen entfernt, um davon leben zu können…..
danke!
Danke. Ich finde es wichtig, sich dessen bewusst zu sein und das auch offen zu kommunizieren. Sonst verzerrt es das ganze Bild.
Liebe Anne,
ich hab heftig nickend aufgeatmet, als ich in Deinen Artikel gefallen bin. So, so wahr.
Mich frustriert das schon so lange. (Und selbst ich tappe ab und an noch in diese Falle, meine Kommunikation dabei nicht klar genug zu machen. Das muss ich mir eingestehen.)
Vor allem eben auch der unterschwellige Beisatz kratzt mich:
Wenn Du xy verdienst, bist Du erfolgreich, glücklich und brauchst Dir um nichts mehr Sorgen zu machen.
Du kannst auch 6-stellig werden und dabei völlig ausbrennen. Oder Schulden haben. Oder nachts nicht schlafen können, weil Du Dir ständig Sorgen machst, ob der nächste Launch gut genug läuft, um die Kosten für Dein Team tragen zu können.
Die Liste geht endlos weiter.
Danke für diesen tollen Artikel dazu, den ich absolut unterschreiben würde!
Liebe Grüße
Carina